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Heimat: „Das Ehrenamt“

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Langweilige Sonntage!

Es war im Herbst 2014, als ich ins Ehrenamt hineinrutschte. Ich war gerade Single und überlegte mir, was ich mit diesen verdammten Sonntagen nun eigentlich anfangen soll. Denn, ganz ehrlich, als Single können Sonntage ganz schön ätzend sein. Schön reden? Nur begrenzt möglich. Pärchen-Freunde sind meist miteinander beschäftigt, machen Spaziergänge, schauen den ganzen Tag Serien oder kochen mehrgängige Meüns. Zu zweit ist man eben weniger allein.

 

20 Schritte in zwölf Stunden

Die ersten Wochen machte es mir noch Spaß, den ganzen Sonntag nur zwischen Bett, Sofa, Laptop und Fernseher hin und her zu wandern. Der Schlafanzug blieb natürlich an. Ich schaffte maximal 20 Schritte in zwölf Stunden und sprach kein Wort mit jemanden. Eine Premium-Tiefkühlpizza gabs zum Abendessen. Manchmal blickte ich noch aus dem Fenster und goss die Blumen. Doch nach ein paar Wochen bekam ich einen Knall. Ich wollte etwas tun, was Freude macht, sinnvoll ist, und für das es sich lohnt, den Schlafanzug auch mal auszuziehen.

 

Was tun?

Ich überlegte, was das sein könnte. Ich erinnerte mich an ein Gespräch mit einem Freund. Er hatte mir im Sommer 2014 vom Kulturlotsenprojekt des Badischen Staatstheaters erzählt und gemeint: „Miriam, das wäre was für dich!“ (Wie recht er hatte.) Kaum war die Idee in meinem Kopf, klickte ich mich durchs Netz, schrieb der Projektleiterin eine Mail, saß wenige Wochen später mit ihr im Foyer der „Insel“ und stellte mich vor – es klappte.  Bis zum vergangenen Jahr begleitete ich mein Kulturlotsenkind Hannah zu Ballett-Proben und schaute mit ihr Schauspiel- oder Operaufführungen an. Hannah hat nun leider die Altersgrenze von zwölf Jahren überschritten. Am 26. Januar lerne ich deshalb Marie kennen, sie ist sechs Jahre alt. Wenn wir uns mögen, werde ich von da an mit ihr die Karlsruher Kulturlandschaft erkunden. Ich freue mich schon sehr auf sie.

 

Herz über Verstand

Meine Wochenenden sind seither wieder mit Leben gefüllt – unabhängig davon, ob ein Mann in meinem Leben ist oder nicht. Und als sich dann im vergangenen Jahr die Flüchtlingsproblematik zuspitzte, überlegte ich keine Sekunde. Für mich stand sofort fest: Ich möchte nicht zusehen, sondern etwas tun. Warum? Ich weiß manchmal selbst nicht genau, was mich antreibt und warum ich ständig Diskussion führe, aber meine Intuition sagt mir, dass es richtig ist zu helfen und ich vertraue darauf. Herz über Verstand.

 

Mini-Teil zur Integration

Wobei, nicht gegen jegliche Ratio. Ich blende keineswegs aus, dass die Realität komplex ist. Ich habe Sozialwissenschaften studiert, bin für Grautöne, gegen Extreme. Aber in diesen Tagen möchte ich mich nicht damit aufhalten, nur darüber zu reden, wie groß die Probleme sind. Das tun schon so viele andere. Ich finde es wichtig, durch Begegnungen positive Akzente zu setzen, so einen Mini-Teil zur Integration beizutragen. In meinem Mikro-Kosmos etwas tun. Nicht nur zu Hause im Warmen zu sitzen und darüber zu schimpfen, wie schlimm alles ist.

 

Glück pur

Außerdem bedeutet Ehrenamt nicht nur ein Geben: Als ich das Flüchtlings-Projekt der Freedom Skaters kennenlernte, wuchs meine Begeisterung fürs Ehrenamt ins Unermessliche. Es ist unbeschreiblich, wie schön die Ausflüge mit den Kindern sind – ihr Lachen zu sehen, ihre Freude, ihre Unbekümmertheit – trotz all der Schwere. Vielleicht klingt das kitschig. Aber Zeit mit ihnen zu verbringen, das ist für mich Glück. Selten konnte ich Momente so klar benennen.

 

Auszeichnung von dm

Bei meiner Arbeit als Redakteurin kam ich bereits im vergangenen Jahr mit dem Projekt HelferHerzen von dm-drogerie markt in Berührung. Es würdigt das Ehrenamt und zeichnet Menschen aus. Ich hatte die große Freude, über verschiedene Projekte Reportagen schreiben zu können – und lernte dadurch viele interessante Menschen kennen. Auch in diesem Jahr werden wieder Ehrenamtliche gesucht, die den Preis verdient haben. Infos zu HelferHerzen gibt es hier:  https://www.helferherzen.de/

Alles ist immer für etwas gut!

Ich habe meine Wochen seit Herbst 2014 natürlich nicht komplett männerlos verbracht. Aber egal, wer an meiner Seite war, es gab nie Diskussionen, dass ich sonntags manchmal keine Zeit habe. Im Gegenteil. Ich bin bislang immer auf große Unterstützung gestoßen. So bin ich heute sehr froh um diese verdammten Single-Sonntage im Herbst 2014.

 

Weitere Info: 

 


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